Montag, 28 November 2022 13:18

Das Hochalpine Institut Ftan (HIF) hat die Matura Bilingua Grischuna wieder eingeführt


Di’m est tü amo qua… im mehrsprachigen Kontext

Uorschla Natalia Caprez Brülhart

Das Hochalpine Institut in Ftan hat die romanisch-deutsche Maturität, die sogenannte Matura Bilingua Grischuna, zu Beginn des Schuljahres 2022/23 wieder eingeführt. Vor einigen Jahren lief dieses Angebot aus, da man die zweisprachige Maturität Englisch Deutsch anbot. Die letzte Klasse, welche die auslaufende Matura Bilingua besuchte, hat im Juni 2022 die Matura abgeschlossen.
Die neue Stundentafel ab dem Schuljahr 2023 bietet nun neben Wahlmöglichkeiten für Fachunterricht auf Englisch auch die Möglichkeit eines zusätzlichen romanischen Angebots.

Das Dulwich College, Aktionär und Partner des IOF, führte letztes Jahr Gespräche mit dem Personal, dem Lehrerteam und SchülerInnen. Das Ziel war zu erfahren was ihnen für die Zukunft des HIF’s wichtig scheint und am Herzen liegt. Dabei kristallisierte sich unter anderem der Wunsch heraus, gute regionale Beziehungen zu pflegen und als Zeichen derer die Matura Bilingua Grischuna wieder einzuführen. Das HIF unterstützt diesen Vorschlag und ist sehr daran interessiert, SchülerInnen der Region zu fördern, indem es weiterhin die Maturität im Unterengadin anbietet und sich für das Rätoromanische wie auch für eine gesunde Mehrsprachigkeit einsetzt. Die Rektorin Stefanie Aichholz bestätigt dieses Engagement.
Bereits dieses Schuljahr konnte erfreulicherweise festgestellt werden, dass die Mehrheit der SchülerInnen unserer Dörfer das neue Zusatzangebot nützt und sich für die Matura Bilingua angemeldet hat.

Welchen sprachlichen Pfad einschlagen?
Während der zweiten Gymnasialklasse müssen die SchülerInnen entscheiden, welchen sprachlichen Pfad sie einschlagen wollen. Soll man die Matura Bilingua Grischuna oder die zweisprachigen Maturität Englisch Deutsch wählen? Es ist eine Entscheidung, welche die linguistischen Grundlagen für die Zukunft jedes Einzelnen setzt.
Entschliesst man sich für die Matura Bilingua, hat man von der dritten bis zur sechsten Gymnasialklasse vier Lektionen Rumantsch und «Biologia» als immersives Fach. Italienisch und Französisch können als Freifach gewählt werden. Wählt man die zweisprachige Maturität Englisch und Deutsch, kann Romanisch, Italienisch oder Französisch als zweite Landsprache beziehungsweise als Freifach genommen werden.

Vorteile des Zusatzangebots Matura Bilingua Grischuna
Einerseits beschäftigen sich die SchülerInnen in mehr als 600 Lektionen mit rätoromanischer Sprache, Literatur und Kultur. Diese reichen von Sprachunterricht, Lektüre von verschiedenen Werken und literarischen Texten, Sprach- und Literaturgeschichte bis zur Auseinandersetzung mit aktuellen Ereignissen rund um die romanische Sprache. Andererseits hat man Privilegien bezüglich der Mehrsprachigkeit. Der immersive Unterricht findet nämlich in drei Sprachen statt, auf Romanisch, Deutsch und Englisch. Das bedeutet indirekte Sprachförderung zu geniessen. Was will man noch mehr? Im Weiteren werden Geografie, Physik, Medien und Informatik als Grundlagenfächer und Physik und bei dementsprechender Fächerwahl angewandte Mathematik als Schwerpunktfach auf Englisch unterrichtet.
Wer in seinem Lebenslauf die „Matura Bilingua Grischuna“ ausweisen kann, hat später im Studium und bei Bewerbung auf Arbeitsstellen einen Vorteil gegenüber dem einsprachigen Maturazeugnis. Selbstverständlich kann man nicht unterlassen zu erwähnen, dass die Matura Bilingua die Kontinuität und Zukunft des Romanischen mit sprachkompetenten AbgängerInnen stärkt, welche für Literatur sowie Kultur und die sprachlichen Entwicklungen der Region und des Kantons sensibilisiert sind.

Wieso es sich lohnt «Biologia» zu besuchen: Armon Tönett steht uns Rede und Antwort
«Auch wenn das Studium auf Deutsch und Englisch durchgeführt wird, zahlt es sich aus, «Biologia» auf Romanisch zu absolvieren. Mehrheitlich lesen wir die Texte auf Romanisch, andere aber auch auf Deutsch, weil es keine romanische Lehrmittel für Biologie auf Gymnasialstufe gibt. Sobald die SchülerInnen übersetzen, müssen sie von einer Sprache in die andere “switchen” und das können sie nur, wenn sie den Lehrstoff verstanden haben. Übersetzen können, heisst gründlich zu verstehen und nicht nur auswendig zu lernen. Die wissenschaftliche Terminologie ist in allen Sprachen dieselbe, auch auf Romanisch. Mit dem Romanischen hat man aber einen Vorteil, weil die Wörter mehrheitlich vom Latein abstammen. Es gibt auch Umfragen über die Immersion, welche beweisen, dass die Flexibilität zwischen zwei Sprachen das ganze Gehirn fördert und zu besseren Leistungen führt. Der Sachunterricht in mehreren Sprachen führt also dazu, dass die SchülerInnen besser verstehen. Biologie-StudentInnen haben übringens bestätigt, dass der Unterricht auf Romanisch fachlich gleich gründlich wie auf Deutsch ist. Der Lehrstoff des Gymnasiums ist die Basis für das Studium, jedoch nur ein Bruchteil vom Ganzen.»

Sich wie zu Hause fühlen und seine Identität entdecken: Das Tenor von ehemaligen Matura Bilingua-AbgängerInnen
Sich in einer Schule wie zu Hause fühlen, das ist eine grundlegende Lernvoraussetzung: “Weil wir auch sonst fast nur Romanisch untereinander redeten, hat uns das Angebot, die Matura Bilingua zu besuchen, ein Stück Heimat gegeben.” Sich auf Romanisch ausdrücken zu können, nicht nur im Romanischunterricht, sondern auch während den Biologielektionen, ermöglicht eine zusätzliche Beziehung zum Fach zu bekommen. «So kommt einem alles näher und man stellt direktere Bezüge mit dem Lehrstoff her.» In den Rätoromanisch-Lektionen perfektioniert man nicht nur die sprachlichen Kompetenzen, der Unterricht ermöglicht auch jedem und jeder SchülerIn Facetten seiner Identität zu entdecken. Dazu ein paar Aussagen: «Ich habe jetzt eine gewisse Ahnung von der Sprachgeschichte im Allgemeinen und auch von derjenigen unseres Tales und schaue den Munt Baselgia in Scuol oder die Patnals mit anderen Augen an.» Oder: «Die letzten Jahren haben wir einige literarischen Werke gelesen. Die Begegnungen mit den AutorInnen sind unvergessliche Momente.». Und verbinden auch. «Ich würde gerne einmal eine Feuerlilie oder eben «üna machöa» auf einer Wiese sehen.»

Nicht nur Wunschdenken, sondern gelebte Realität
Dass die Idee, Sprache und Verbindung des HIF mit der Region aufrechtzuerhalten, nicht nur Wunschdenken ist, sondern gelebte Realität, zeigt auch folgende Szene, welche sich während des letzten Galaballs am Institut ereignete: An dem Abend war ein quirliges Treiben mit DJ-Musik in der Aula. Die Jugend tanzte und genoss offensichtlich. Und plötzlich war die Aula fast leer. Wer nach frischer Luft schnappen ging, wurde vom feierlichen Gesang unserer SchülerInnen auf dem Platz angezogen, die, wie wenn nichts wäre, rätoromanische Lieder sangen. “Di’m est tü amo qua...?” Und der Piz Pisoc verbeugte sich und zwinkerte mit seinem rechten Auge.

 

 

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